Am 24. Oktober 2024 wurde es bunt in der Lern-Praxis-Werkstatt. Jugendliche aus dem Rhein-Neckar-Kreis, die ansonsten nicht viel mit Kunst am Hut haben, verbrachten einen ganzen Nachmittag mit einem Künstler und fühlten ihrer kreativen Seite auf den Zahn.
In der Lern-Praxis-Werkstatt wird derzeit eine Bogenschieß-Ecke eingerichtet. Da die grauen Wände wenig einladend aussahen, kam der Plan auf diese zu verschönern. So entstand die Idee des Graffiti-Workshops im Rahmen des Projektes „SLAY! your career“.
Wie lief der Workshop ab?
Der junge Künstler Jake Sandquist, alias „Sandgeist“, aus Mannheim erklärte sich bereit, einen Nachmittag sein Wissen und Können mit den Teilnehmenden zu teilen. Die Teilnehmenden erhielten das nötige Handwerkszeug – Sprühdosen, Caps, Schutzmasken – und wurden ermutigt ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Das Thema sollte „Natur/Wald“ sein. Nachdem sich alle Teilnehmenden ein passendes Motiv ausgedacht hatten, wurde dieses zunächst mit Bleistift auf Papier gezeichnet. Danach erklärte Jake, wie man mit Sprühdosen umgeht. Jeder schnappte sich eine FFP3-Maske und schon ging es ans Sprühen. Zunächst wurden Sprühtechniken geübt, bis sich jeder sicher genug fühlte, sein Werk an die Wand zu bringen. Während des Graffiti-Sprühens waren die Jugendlichen völlig ins Tun versunken, so vergingen drei Stunden wie im Flug. Wer zwischendurch einen Schritt von seinem persönlichen Gemälde zurücktrat, um das große Ganze zu betrachten, war fasziniert und begeistert, wie schnell durch Teamwork aus einer grauen Wand ein buntes, lebensfrohes, strahlendes Gesamtbild werden kann.
Warum ein Graffiti-Workshop?
Einst als bloßer Akt der Rebellion abgetan, hat sich Graffiti in den letzten Jahrzehnten zu einer angesehenen und wichtigen Kunstform entwickelt. Straßenkunst ist nicht nur „hip“, sondern im passenden Rahmen auch pädagogisch wertvoll:
- Kreativ tätig zu werden stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit
- Das gemeinsame Arbeiten an einem Projekt fördert das Gefühl von Zugehörigkeit
- Das kreative Denken wird geschult
- Das Betrachten von Kunst vermindert negative Emotionen wie Trauer und Angst und verstärkt Freude und Euphorie
- Das fokussierte Arbeiten über einen längeren Zeitraum wird geschult
- Stress reduziert sich
- Durch das „in-sich-selbst-versinken“ beim Malen entwickelt man ein Gefühl für die eigene Innenwelt
Da die Teilnehmenden des Projektes „SLAY! your career“ vorwiegend Jugendliche mit psychischen Problematiken sind, war dieser Workshop besonders wertvoll für sie.
Eine kleine, aber wichtige Erfolgsgeschichte
Die positive Wirkung des Workshops wurden besonders deutlich, als Jenny später äußerte, dass sie es endlich geschafft habe in einer sozialen Situation mit gleichaltrigen entspannt zu sein und sich sogar kurz mit diesen zu unterhalten. Jenny leidet seit Jahren unter einer diagnostizierten, stark ausgeprägten Sozialphobie. Es kostet sie unheimlich viel Kraft und Mut in Kontakt mit fremden Menschen zu treten. Durch die entspannte Atmosphäre während des Malens ist es ihr gelungen aus sich herauszugehen. Zudem ist sie stolz auf ihre Kunst. Ihr Gemälde wird die Wand der Lern-Praxis-Werkstatt lange Zeit schmücken und sie und viele andere Jugendliche stetig dazu ermutigen über sich selbst hinauszuwachsen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Tag in einem Graffiti-Workshop mehr ist als nur das Schaffen von Kunst; es geht um Selbstentdeckung, Gemeinschaftsbildung und das Überwinden eigener Grenzen. Für alle Beteiligten – Teilnehmende, Betreuende und Lern-Praxis-Werkstatt – war der Workshop ein großer Gewinn.
Noémie Tareau